Interview mit Carlos Espejo

Im Reich des Uruguay-Amethysts

Ein exklusives Interview für „Die Welt der Edelsteine“ mit dem Experten für Uruguay-Amethyste Carlos Espejo aus Uruguay

Was für ein wunderschönes Land Uruguay ist! Ich bin seit etwa eine Woche hier und werde ständig positiv überrascht: spektakuläre Strände am Atlantischen Ozean, grüne unendliche Wiesen, schöne Pferde, köstliches Essen und gastfreundliche Menschen. Ich habe mich bisher keinen Moment als Fremde gefühlt. Die Menschen hier übermitteln mir das Gefühl, eine von ihnen zu sein. Das Land ist groß und reich an Edelsteinen und weil ich eine Liebhaberin von eben diesen bin, wollte ich mir von diesem wohl berühmtesten Amethyst der Welt einen  genaueren Eindruck verschaffen: dem Uruguay-Amethyst. Daher habe ich den Geologen und Amethyst-Experten Carlos Espejo getroffen. Carlos ist Uruguayer und gebürtiger „Artigueño“, das heißt, er stammt aus der Provinz „Artigas“, wo der Uruguay-Amethyst zu Hause ist. Ich war etwas nervös, jemanden zu treffen, der sein Leben dem Studium und Abbau des Amethysts gewidmet hat und als „der“ Fachmann auf diesem Gebiet gilt.

Carlos Espejo im Interview

Carlos Espejo im Interview

Schon beim Händedrücken sind alle meine Bedenken und Unsicherheiten verflogen! Carlos ist ein freundlicher und umgänglicher Mann, der über seine Kenntnisse ohne Prahlerei spricht.
Was mir an ihm sofort auffiel, war die Gelassenheit, mit der er sich zwischen den fabelhaften Amethyst-Geoden bewegt hat. Nie zuvor in meinem Leben habe ich solche Geoden gesehen! Für unser kleines Interview haben wir uns dann gemütlich in den Park gesetzt.

Erklären Sir mir bitte Ihren Beruf, Carlos!
„Seit über 40 Jahren baue ich Amethyste ab – in den sogenannten „Canteras“ (Steinbrüchen). Ich arbeite zusammen mit meinem Team, das aus Geologen und Bergarbeitern besteht. Käufer, Interessenten und Sammler aus der ganzen Welt kommen hierher um Amethyste zu erwerben – auch, weil sie mich mittlerweile alle gut kennen.“

Wie sieht die Suche nach Amethyst genau aus?
„Man braucht erst einmal eine staatliche Genehmigung, die es erlaubt, überhaupt diesen Job auszuüben. Es handelt sich um eine Lizenz, die regelmäßig erneuert werden muss. Um sie zu bekommen, muss man nachweisen, dass man das richtige Studium bestanden hat und dass man überhaupt das Wissen hat und in der Lage ist, diesen Job zu machen. Mit dieser Genehmigung ist man dann autorisiert, ein entsprechendes Grundstück zu mieten um dort nach Amethysten zu suchen und abzubauen. Dieses Grundstück wird „Cantera“ genannt. Sie müssen wissen, dass ab einer Tiefe von 30 Zentimetern das Land Eigentum des Staats ist, nicht des Eigentümers. Wir mieten also ein Stück Land vom Eigentümer. Dann wird ein Zaun gezogen, um zu vermeiden,  dass Vieh oder andere Tiere über das Gelände laufen können. Dann beginnen wir schließlich mit der Suche nach dem Amethyst. Wir fangen entweder mit dem Tagebau an oder graben einen Tunnel, wenn es durch Berge oder Hügel geht. Wie Sie sich vorstellen können, man muss wissen, was man tut, da wir das Land „durchbohren“ müssen und manchmal auch mit explosivem Material arbeiten muss. Ich persönlich bevorzuge den Tagebau.“

Wie muss ich mir das vorstellen?
„Man fängt an zu graben, bis man auf Spuren von Geoden oder Drusen trifft. Manchmal vergehen Tage und Wochen ohne Ergebnis und manchmal findet man an einem Tag wahre Wunder… Wenn man Geoden größerer Dimensionen findet, muss man vorsichtig auf die Geode klopfen, wobei die Geode nicht aufgerieben werden darf. Man benötigt viel Geduld, Geschicklichkeit und Professionalität, um die Geode als Ganzes herauszunehmen – ohne dass sie dabei auseinander bricht. Um eine 4000 oder 5000 Kilo schwere Geode aus der Erde herauszunehmen, braucht man um die sechs Monate Arbeit. So große Geoden sind aber wirklich die Ausnahme. Man ist verpflichtet – und das ist sehr wichtig! – dass man die „Cantera“ wieder mit Erde auffüllen muss, wenn man seine Arbeit auf einem Feld beendet hat. So wird verhindert, dass die Umwelt unter dem Abbau leidet sowie die Entstehung von Löchern, die sich mit Wasser füllen oder das Vieh unter Umständen zum Stürzen gebracht wird.“  

Wie viele „Canteras“ gibt es heutzutage in Artigas?
„Heute gibt es 58 Canteras, die aktiv sind. Dort wird Amethyst abgebaut und auch Achat.“

Was ist die interessanteste Eigenschaft des Uruguay-Amethysts?
„Die Intensität seiner Farbe selbstverständlich!“

Amethyst-Drusen

Amethyst-Drusen

Während Carlos mir das alles erzählt, zeigt er mir eine Druse, die um die 60 cm lang ist und 50 cm breit. In ihrem Inneren sieht man die einzelnen Amethyst-Rohkristalle. Sie weisen eine perfekte Farbe – dunkles, intensives Violett – und eine außergewöhnliche Transparenz auf. Carlos lächelt, als er mein Erstaunen sieht und mit der Gewissheit von jemandem, der Gedanken lesen kann, sagt er:
„Sie stellen sich gerade vor, wie einer dieser Amethyste geschnitten und geschliffen wird, nicht wahr? Sie denken jetzt, wie wunderschön sie sein werden, wenn das Rohmaterial schon so erstaunlich hübsch ist… oder?“

Erzählen Sie uns, Carlos, ist es üblich, Amethyste in solcher Qualität zu finden?
„Die so genannten „bochas“ (geschlossene Geoden), die Amethyst-Kristalle dieser intensiven Farbe und eine perfekte Auskristallisation zeigen, findet man nur in sehr, sehr großer Tiefe. Die ganze, noch geschlossene Geode wird ausgegraben und schließlich mit viel Sorgfalt in zwei Teile geteilt. Der kleinste Fehler kann die Kristalle beschädigen. Das ist eine Arbeit, die viel Konzentration und Erfahrung erfordert. Manchmal erlebt man Überraschungen, zum Beispiel wenn die Geode Material beinhaltet, das man gar nicht erwartet hat. Weniger als 2 % aller Geoden beinhalten Amethystkristalle solcher Farbtonalität und Transparenz. In der Regel besteht die äußere „Hülle“ oder „Schale“ einer Geode, die intensiv violette Amethyste beinhaltet, aus Basalt.“

Carlos zeigt mir eine zweigeteilte Geode mit Basaltschale. Im Inneren sind atemberaubend schöne Amethystkristalle zu sehen. Die Perfektion des Kristalls ist unglaublich. Man könnte es so nehmen – so wie es ist – und in Silber oder Gold einfassen. Carlos liest meine Gedanken – mittlerweile bin ich mir sicher, dass der Kerl das tatsächlich kann! – und zeigt, was ich mir gerade vorgestellt hatte: ein Roh-Amethyst in einem Goldanhänger gefasst. Mit einem offenen Blick sagt Carlos:
„Vergessen Sie nie, dass die Arbeit, von der ich gerade gesprochen habe, rein handwerklicher Natur ist. Wir helfen uns mit Werkzeugen, die uns mehr Genauigkeit verschaffen, aber es handelt sich immer um Handarbeit. Was die Qualität des Amethysts betrifft: es gibt auch hellere Amethyste, die eine sehr gute Auskristallisierung vorweisen und über eine anmutige Schönheit verfügen. Die beste Amethyst-Qualität findet man aber mehrere Meter unter der Erde. Ich glaube fest an die Energie, die diese Edelsteine übermitteln.“

Amethyst mit Achat

Amethyst mit Achat

Carlos zeigt mir noch eine andere Geode. In diesem Fall ist es ein kleineres Exemplar, mit einer schönen Schale aus Achat. Sehr exzentrische geologische Phänomene haben aus dieser Ecke der Welt ein Achat- und Amethyst-Paradies geschaffen. Carlos zeigt mir noch andere kleine Wunder der Natur: Geoden, bei denen sich in ihrem Inneren hellere Amethystkristalle von schwarzen Turmalinen begleitet befinden. Es sind Gesteine von unwahrscheinlicher Schönheit. Carlos erklärt mir, dass ihn regelmäßig Sammler aus der ganzen Welt besuchen, die auf der Suche nach solchen Schätzen sind.

Amethyst- und Achatgeode

Amethyst- und Achatgeode

„Eines Tages“ – erzählt er weiter – „habe ich mir den Wunsch erfüllt, meine Mutter zu beschenken. Sie ist eine Frau, die viel Liebe zum Detail hat und unser Haus, in dem wir geboren und aufgewachsen sind, erhalten  und mit gutem Geschmack eingerichtet hat. Ich habe den Boden im Eingang komplett mit Amethyst gepflastert. Sie wissen nicht, Cuini, wie schön der aussieht und wie glücklich und stolz meine Mutter war, als sie den zum ersten Mal fertig gesehen hat!“

Im Interview mit Carlos Espejo

Im Interview mit Carlos Espejo

Ich bin immer noch überwältigt von der Schönheit dieser Geoden und sehr beeindruckt von meinem Interviewpartner. Carlos hat alles mit einer Bescheidenheit erzählt und geduldig alle meine Fragen beantwortet. Er hat mir großzügig einen kleinen Teil seiner Zeit geschenkt. Aber Großzügigkeit ist eine seiner Tugenden. Er hat seit Jahren ehrenamtlich Vorträge in unzähligen Schulen für Kinder und Jugendliche in Uruguay gehalten. Carlos sieht darin eine Notwendigkeit. Er erklärt mir, dass Uruguay seine Schätze an Edelsteinen nie richtig erkannt und gedeutet hat. Nur in den letzten Jahren – dank der Popularität des Uruguay-Amethysts auf dem internationalen Edelsteinmarkt ist man ein bisschen aufmerksamer geworden. „Aber es bleibt noch viel zu tun“ betont Carlos. „Man muss die Aufmerksamkeit weiter fördern. Man muss lernen, dass das, was aus unserer Erde kommt, kostbar ist und geschätzt und beschützt werden muss.“

Amethyst mit Kalzit und Schwarzem Turmalin

Amethyst mit Kalzit und Schwarzem Turmalin

Ich verabschiede mich von Carlos Espejo, bedanke mich recht herzlich für das Gespräch und bin immer noch berührt von seinem Wissen und der Bescheidenheit, mit der er beides teilt.
Mit den letzten Bildern dieses Landes vor meinem inneren Auge steige ich ins Flugzeug gen Berlin. Adios Uruguay! Ich hoffe auf ein baldiges Wiedersehen!

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