Dieses riesige Land Argentinien hat alles: Berge, Gletscher, Salzwüste, unendliches Flachland, Dschungel, Wasserfälle… In dieser Unendlichkeit – die ich seit Wochen durchreise – findet sich einer der schönsten Edelsteine der Welt: der Rhodochrosit, Nationaledelstein Argentiniens.

In Buenos Aires, Stadt des Tangos, habe ich viele Schaufenster voller Kostbarkeiten aus Rhodochrosit gesehen. Nicht nur Schmuck, sondern auch Kelche, Schalen und sogar kleine Tangotänzer-Skulpturen! Aber sein Geheimnis liegt im Inneren des Landes, wo der Rhodochrosit sich versteckt.

Ich habe mich hier und dort durchgefragt und einiges über eine Stadt mitten in der „Sierras de Córdoba“ (Gebirge in Zentral-Argentinien) erfahren. Die Stadt heißt La Falda und dort lebt ein Edelsteinschleifer, der sich aufgrund seiner Kunstfertigkeit und Berufsethik einen Namen gemacht hat. Außerdem entwickelte er seine eigenen Methoden und baute seine eigenen Maschinen. Sein Name ist Raul Fazio. Ich kontaktierte ihn telefonisch und er lud mich ein, ihn in La Falda zu besuchen. So könne er mir am besten über seinen Beruf und über den Rhodochrosit  erzählen.

La Falda ist eine bildhübsche kleine Stadt, am Fuß des Bergs „La Banderita“. Rauls Haus ist sehr schön. Vor dem Haus hat er ein Schaufenster, in dem mehrere schöne Edelsteine aus Argentinien zu sehen sind.  Manche kommen sogar aus der Region.

Raul ist ein Autodidakt, was das Edelsteinschleifen betrifft. Er hat die Universität besucht, Fach Geologie. Er war auch Professor auf der Schmuck-Akademie der Universität der Schönen Künste in Catamarca, wo er das Schneiden und Schleifen von Edelsteinen unterrichtet hat.

Raul erzählte mir viel über seine Liebe zum Beruf und zeigte mir einige Aventurite und wunderschöne Rosenquarze, die er selbst in der Region gefunden hat:

Raul Fazio: „Cordoba – Argentinien im Allgemeinen – ist reich an Edelsteinen, hier findet man Vieles… schauen Sie sich diesen Edelstein an, wissen Sie, was das ist?“

Ich sehe – überrascht – einen großen Kristall Amethyst. Der Kristall ist sehr schön, von intensiver violetter Farbe und einem Hauch von Blau in seinem Inneren.

Raul Fazio: „In dieser Region findet man Amethyst von außergewöhnlicher Qualität. Das Kristall wächst nicht in Drusen, sondern in Ton. So formiert sich ein perfektes Kristall – mit Spitzen an beiden Enden … Und das, was Sie hier sehen, ist Aquamarin. Es gibt auch Beryll in Cordoba!“

Das Aquamarinkristall ist sehr groß und verfügt über eine exzellente Auskristallisierung. Ich bin jetzt richtig erstaunt.

Ich: „Ich sehe, Sie haben hier mehrere Rhodochrosit-Schmuckstücke. Erzählen Sie mir von diesem wunderschönen Edelstein…“

Raul verschwindet in dem Zimmer nebenan. Als er zurückkommt, zeigt er mir eine kleine Schatulle, wo ein Rhodochrosit im Rundschliff liegt. Er ist nicht sehr groß, verfügt aber über ein intensives Pink-Magenta. Er ist absolut transparent und seine Schönheit liegt in der Vollkommenheit seiner Auskristallisierung. Und dann leert Raul drei Papiertüten auf dem Schreibtisch. Ich kann kaum glauben, was ich gerade sehe. Ich hatte niemals zuvor solche Rhodochrosite gesehen. Sie sind alle absolut transparent, in verschiedenen Größen und Formen, alle als Cabochon poliert.

Raul Fazio: „Was Sie hier gerade sehen, sind Rhodochrosite aus Andalgalá, Catamarca. Sie kommen alle aus der Capillitas-Mine. Es handelt sich um eine Rhodochrosit-Ader von nie zuvor gesehener Qualität. Die sogenannte Ortiz-Qualität.“

Ich: „Wieso „Ortiz Qualität“?“

Raul Fazio: „Ein Minenarbeiter, der Mauro Ortiz hießt, hat dieser Ader entdeckt und so blieb der Name Ortiz für das Material aus dieser Ader. Das Problem ist, dass die Adern manchmal abrupt enden. Das heißt, dass in der Entstehungszeit irgendein geologisches Ereignis passierte und die Ader unterbrochen wurde. Man findet zur Zeit kein Rhodochrosit der „Ortiz Qualität“.

Ich: „Heißt das, dass es keine „Ortiz Qualität“ mehr gibt?

Raul Fazio: „Nein, nein, man weiß, dass die Ader irgendwo weiter geht, vielleicht ein bisschen höher oder ein bisschen tiefer, man sucht danach. Ich erwarte jeden Moment einen Anruf mit der Nachricht, dass die Ader wieder gefunden wurde…“

Raul erzählte mir außerdem einiges über andere Edelsteine aus der Region. Ich fühle mich wie Alice im Wunderland! Wunderschöne Shattuckite von himmlischer blau-grüner Farbe und Nephrit-Jade in leuchtendem Grün. Er zeigte mir ein Edelstein, den ich nicht kannte: den Dioptas, er ist in der Region auch als „Kupfer-Smaragd“ („Esmeralda de Cobre“) bekannt. Er zeigt mir erstmal ein großes Gestein, wo kleine grüne Flecken zu sehen waren und dann weitere kleine Kristalle Dioptas, die aus dem Gesteine herausgenommen wurden.

Er führte mir außerdem noch sehr schönen Blauen Onyx und Fluorite vor. Beide Edelsteine waren getrommelt.

Ich: „Raul, es wurde mir gesagt, dass Sie ein Meister der getrommelten Edelsteine sind…“

Raul lächelt mit einer Demut, die einen geheimen Stolz verbirgt. Ein Stolz von Jemandem, der weiß, dass er gut ist in dem was er macht, ohne dies zur Schau stellen zu müssen. Ich lasse nicht locker:

Ich: „Erzählen Sie mir, was auf der Edelsteinmesse Soledade in Brasilien geschah?“

Raul Fazio: „Naja… das war ulkig. Es ist so: Ich habe eine eigene Methode entwickelt um Edelsteine zu trommeln und mein Geschäftspartner und ich wollten unser Material auf der ‚Soledade’-Edelsteinmesse anbieten. Wir sind in letzter Minute dort angekommen. Wir hatten einen sehr kleinen Platz reserviert – verglichen mit den Ständen der großen Firmen! Wir mussten schnell Tücher kaufen, um auf unserem Stand die Steine zeigen zu können und irgendwie haben wir es auch geschafft, eine weiß-blaue Deko hinzukriegen (das sind die Farben der argentinischen Nationalfahne). Tatsache ist, dass sobald wir unsere Edelsteine auf den Tisch gelegt hatten, ein Herr aus Deutschland vorbeikam .

Mein Geschäftspartner kannte ihn und begrüßte ihn herzlich. Er fragte sofort, wer die Edelsteine für uns trommelt. Ich erklärte ihm, dass ich es selber mache, … und zwar mit meinen selbstgebastelten Maschinen! Er wollte es uns nicht glauben! Um es kurz zu machen, der Herr kaufte alle unsere Edelsteine… Wir mussten ihn fragen, ob wir die Edelsteine auf unserem Stand noch behalten konnten, bis die Messe vorbei war. Und so gingen wir in die Geschichte ein als die Kerle, die es geschafft hatten, 15 Minuten nach Eröffnung alle Edelsteine zu verkaufen!“ (er lacht)

 Und so verabschiedete sich Raul Fazio von mir, mit einem Lächeln im Gesicht.

Ich werde in wenigen Tagen Argentinien verlassen. Es bleiben mir die Anekdoten und die schönen Erinnerungen von allem, was ich hier erlebt habe.

„Hasta siempre, Argentina!“

 

 

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