Am letzten Wochenende war es wieder einmal so weit, unser Experte für den perfekten Schliff hat uns ein weiteres Mal besucht und uns neue Designs, Edelsteine und vor allem seine neuesten Edelsteinschliffe vorgestellt.
Besonders beeindruckend war für mich dann auch seine „Cut-Show“ am Montagabend, in der er uns einen Einblick in seinen spannenden Beruf als Edelsteinschleifer gewährt hat. Ich hatte ja schon einmal das Glück Tenner beim Schleifen von Edelsteinen über die Schulter schauen zu können und muss sagen, dass ich mir das bei weitem nicht so aufwendig vorgestellt hätte. Vor allem ist wirklich erstaunlich, welcher Vorarbeit es bedarf, ehe es dann schließlich ans eigentliche Schleifen geht.
Die Konzeptphase
Nach seiner Show habe ich mich noch eine Weile mit Tenner unterhalten und ihn gefragt, wie er vorgeht, wenn er einen neuen Schliff entwickelt. Er sagt, dass es generell zwei unterschiedliche Herangehensweisen gibt. Die einen setzen sich ans Zeichenbrett und bannen ihre Ideen zuerst auf ein Blatt Papier. Er gehört aber eindeutig zur eher pragmatischen Fraktion, bei der die Idee erst im Kopfe entsteht, sich langsam entwickelt und dann plötzlich unbedingt ausprobiert werden muss! Dieser Prozess kann unterschiedlich lange dauern, manche Ideen brauchen eben ihre Zeit! Und so können von der ersten Idee zu einem neuen Edelsteinschliff bis zu dem Zeitpunkt, an dem man den fertig geschliffenen Edelstein in den Händen hält, tatsächlich Jahre vergehen.
Die Testphase
Hat die Idee dann im Kopf Gestalt angenommen, sucht Tenner nach dem geeigneten Material um seine Vision auch physisch in Form zu bringen. Da beim Ausprobieren eines neuen Schliffs enorm viel Rohmaterial verloren gehen kann, wird hier nicht unbedingt auf das teuerste Rohmaterial zurückgegriffen, wie man sich leicht vorstellen kann. Allein die Begutachtung eines Rohedelsteins kann schon zu diesem Zeitpunkt sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Alle Einschlüsse, eventuelle Farbzentren und Wuchsrichtungen des Minerals werden ausgiebig analysiert, um im wahrsten Sinne des Wortes heraus zu kristallisieren, ob der erdachte Schliff überhaupt machbar wäre.
Ist ein Schliff mit den gängigen Geräten nicht umzusetzen, baut Tenner auch schon mal einfach seine eigenen Maschinen. Mit Hilfe eines Ingenieurs hat er zum Beispiel ein Schleifgerät entwickelt, mit dem er die gewünschten konkaven Facetten seines Wellenschliffs verwirklichen konnte.
Der richtige Stein
Ist die Testphase abgeschlossen, muss der richtige Rohedelstein gefunden werden, mit dem der neue Schliff gut harmoniert. Schon bei der Konzeption ist es Tenner besonders wichtig, dass der Schliff nicht nur bei einem bestimmten Edelstein „funktioniert“, sondern die Eigenschaften ganz verschiedener Edelsteine unterstreichen, bzw. hervorheben kann. Dies sei „eine große Herausforderung, die es zu meistern gilt“. Wie gut ihm das gelingt, hat Tenner eindrucksvoll in seiner Show am letzten Montag bewiesen – beim Wellenschliff, der jeweils beim Rio Grande-Grünem Amethyst, beim Lilienquarz und Uruguay-Amethyst völlig unterschiedliche Stimmungen hervorrief.
Die vier Schritte beim Edelsteinschleifen
Das Schneiden: Zuerst wird das Rohmaterial gedreht und gewendet, bis deutlich wird, von welcher Seite die Farbe am besten zum Vorschein kommen wird. Dann muss eine Entscheidung fallen und der erste Schnitt wird gemacht! Der Rohedelstein wird in ein oder auch mehrere kleinere Stücke „zersägt“, die dann weiter bearbeitet werden.
Das Vorformen: Der Stein erhält im nächsten Schritt schon einmal seine grobe äußere Form, also z. B. rund, oval oder auch dreieckig, wenn es ein Trillantschliff werden soll.
Das Facettieren: An dem so vorgeformten Rohling werden im dritten Schritt nun die Facetten angebracht. Dazu wird der Stein auf einer sogenannten Doppe mit Wachs befestigt. Mit Hilfe dieses Holzstabs hat der Edelsteinschleifer einen stabileren Halt, um den Edelstein auf der mit Diamantstaub beschichteten Schleifscheibe zu facettieren. Ist die Oberseite des Edelsteins geschliffen, wird der Edelstein „umgedoppt“, also andersherum befestigt, so dass nun auch die andere Seite Facetten erhalten kann.
Das Polieren: Zuletzt erhält der Edelstein an einer Poliermaschine seinen letzten Schliff. War der Edelstein bis dahin noch immer recht matt, lässt die Politur ihn nun in seiner ganzen Schönheit und Brillanz erstrahlen. Übrigens wird der Stein zwischen jedem einzelnen Schritt einer Qualitätskontrolle unterzogen. Ist das Ergebnis nicht zufriedenstellend, wird der Schritt wiederholt bis alles perfekt ist.
Inspiration und Weiterentwicklung
Es ist wirklich erstaunlich, wie viel Arbeit, Zeit und nicht zuletzt auch Rohmaterial benötigt wird, bis ein neuer Schliff erdacht, konzipiert, getestet und schließlich vollendet werden kann. Auf die Frage, warum er seinen Beruf so liebt, antwortete mir Tenner, dass ihn die Herausforderung reizt, die alten Schliffe, die es ja schon seit Jahrhunderten gibt, immer noch zu erweitern, zu verbessern und sich etwas Neues auszudenken. Außerdem habe er dank seiner Leidenschaft für Edelsteine viele Freunde in aller Welt gefunden, nur seine Familie vermisse er sehr auf seinen vielen Reisen rund um die Welt.
Ich bin jetzt schon gespannt, welche innovativen Schliffe sich Tenner bis zur nächsten Show einfallen lässt!